LOWER 13 – Embrace The Unknown

Band: Lower 13
Album: Embrace The Unknown
Spielzeit: 41:52 min
Stilrichtung: Modern Heavy Metal
Plattenfirma: Pure Steel Records
Veröffentlichung: 27.08.2021
Homepage: www.facebook.com/Lower13official

Ein Blick auf ein Promofoto von LOWER 13 legt unweigerlich die Vermutung nahe, man habe es hier mit einer sympathischen kleinen Prog-Rock-Band mit ein paar Psychedelic/Stoner-Einflüssen zu tun. Nun, sympathisch, klein und Prog kommt hin, aber abseits dessen haut das Trio aus Cleveland ziemlich auf die Kacke. US Heavy Metal steht auf dem Programm, modern gehalten, mit einer Mischung aus klaren und unklaren Vocals, die Bassist Sean und Gitarrist Patrick unter sich aufteilen.
Zu einem Modern-Metal-Album gehört im Idealfall auch eine massive Produktion und der Punkt kann bei LOWER 13s viertem Album “Embrace The Unknown” schonmal entspannt abgehakt werden. Das Ding klingt von vorne bis hinten einfach nur amtlich und setzt das präzise und ausgefeilte Spiel der Jungs perfekt in Szene. Keine Kritik des weiteren an den Vocals, auch hier sitzt alles, ist stark produziert und das Wechselspiel von klarem und unklarem Gesang passt gut, auch wenn es sich als Stilmittel im Verlauf des Albums ein wenig abnutzt.
Dieser Gewöhnungseffekt ist insgesamt auch eigentlich der einzige Kritikpunkt an “Embrace The Unknown”. Die erste Hälfte ist ein Brett, technisch, aber nachvollziehbar, ausgewogen aggressiv und melodisch. Woraus die Suppe gekocht ist, macht bereits der Opener und Titeltrack unmissverständlich deutlich, mit melodischem dicken Chorus, Progressiver Gitarrenline, vielviel Groove und noch einer Bonusprise Fettheit gegen Ende. “Reflection Of Me” legt hinsichtlich der Geilheit der Gitarren nochmal ein bisschen drauf, ebenfalls (wie auch die weiteren Songs im Verlauf des Albums) rhythmisch interessant und mit sehr schön harmonielastigem Chorus in runtergebrochener Geschwindigkeit. “Hollowed” setzt verstärkt auf Aggro-Elemente, den ruhigen Part im Mittelteil mit seiner mies heranrollenden Gitarre mal ausgenommen, und “Dark Days Ahead” ist ein paar Ticken ruhiger, geht also auch ab, aber weniger böse und etwas emotionaler und getragener.
Kurzer Sprung zum Ende, wo uns mit “Continue On” noch der ruhigste Song der Platte erwartet, mit wenig distorteten Gitarren, verhältnismäßig leichtgängig und gefühlvoll und zum Ende obligatorisch dichter und intensiver.
Die vier Tracks davor arbeiten nach dem Konzept der bis hierhin beschriebenen. Technische Rhythmusarbeit, eine saftige Portion Härte, in den Refrains verstärkt melodisch, mit cleanen und uncleanen Vocals im Wechsel. Und bei denen ist das Konzept dann auch nicht mehr so spektakulär, da man im Vergleich zur ersten Hälfte, deren Songs noch unterschiedliche Facetten aufzeigen und Schwerpunkte setzen konnten, nun einfach nicht mehr viel Neues zu zeigen hat und sich stattdessen auf die stabile Umsetzung der eingeführten Trademarks konzentriert. Dabei kommen dann absolut keine schlechten Songs raus, aber ein bisschen mehr Innovation auch in der zweiten Hälfte, und seien es zwei Songs mit einem kleinen elektronischen Anteil oder mal ein weniger technischer, straighterer – oder auch nur eine andere Reihenfolge der Songs auf “Embrace The Unknown” – hätten der Scheibe noch einmal zu zusätzlichem Hörspaß verholfen.

Fazit:
Aber meine Güte. LOWER 13s neuster Streich ist von vorne bis hinten beeindruckend gespielter moderner US Metal, der brutal klingt und auch an seinen schwächeren Stellen immer noch äußerst effektiv intelligent und melodisch auf die Fresse gibt. Und an den besseren Stellen ist er noch einiges mehr als das.

Anspieltipps:
“Reflection Of Me”, “Embrace The Unknown”, “Darker Days Ahead” und “Continue On”

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Embrace The Unknown
02. Reflection Of Me
03. Hollowed
04. Darker Days Ahead
05. Last Of Our Kind
06. Self Sabotage
07. Our Collapse
08. Heal
09. Continue On

Jannis

NIGHT RANGER – ATBPO

Band: Night Ranger
Album: ATBPO
Spielzeit: 53:43 min
Stilrichtung: Hard Rock
Plattenfirma: Frontiers Music s.r.l.
Veröffentlichung: 06.08.2021
Homepage: www.facebook.com/nightranger

Es ist offensichtlich möglich, im dritten Stock in einer Wohnung in Bonn und gleichzeitig unter einem Stein zu wohnen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass ich von einer Band, die über 17 Millionen Alben verkauft hat und locker zehn #1-Video-Singles und Verwendung ihrer Musik in diversen Serien, Spielen und sogar größeren Hollywoodfilmen vorweisen kann, noch nie in meinem Leben gehört habe und sie nach dem ersten Hördurchgang als professionell klingende kleinere Band eingeordnet hätte (was für größere Acts durchaus als Kompliment zu verstehen ist).
Ja jut. Dann gibt es nun also einen unvoreingenommenen Blick auf das neuste Album von NIGHT RANGER, “ATBPO”, was für “And The Band Played On” steht.
Bei einer Band mit oben beschriebener Bekanntheit ist es Normalität, dass es an den Spielfertigkeiten und Gesangsskills der Beteiligten nichts auszusetzen gibt, so auch auf “ATBPO”. Alles sitzt wie angegossen, die einzelnen Instrumente werden professionell und auf der Sache dienlicher Weise kreativ bedient und Vocals wie Backing Vocals fügen sich wunderbar in den Hard-Rock-Sound des Quintetts ein, der sich stark am Sound des dicken, stadionigen 80er Hard Rocks bedient und die ein oder andere modernere Wendung sowie einige verstärkt AORige Elemente einbaut.
Keybords sind vorhanden, werden aber vergleichsweise sparsam eingesetzt, und immer im Sinne der Musik.
Auch in Sachen Produktion weiß “ATBPO” zu gefallen. Dicht, organisch und ausgewogen, einzig bei den gelegentlichen Clapsounds meine ich ein leichtes Krisseln wahrzunehmen. Ist aber selten, will ich nicht wegen rumheulen.
Kompositorisch ist die Platte in gesundem Maße Dur-lastig, erklärt dies aber nicht, wie viele andere dadurch in Schmalz versinkende Truppen, zu ihrer musikalischen Identität. Nee, das Dur-Level ist sehr angenehm gehalten, wird einem nicht mit dem Harmoniehammer ins Gesicht gedroschen, sondern sorgt schlicht für einen begrüßenswerten Feelgoodfaktor. Dies mag neben dem Songwriting an sich auch der Tatsache geschuldet sein, dass “ATBPO” doch recht heavy produziert ist. Wo andere Bands ihre Gitarren hinter gigantischen Synth-Wänden verstecken, wissen NIGHT RANGER sehr gut um die Wichtigkeit einer druckvollen unkastrierten Gitarrenfraktion. In Sachen Kreativität ist man auf gutem Niveau unterwegs, bedient natürlich viele Stilmittel des Genres, gönnt sich aber doch auch kleine Wendungen und Melodien, die man so nicht auf jedem zweiten Hard-Rock-Album hört. Das wird dann noch um nette Features wie ein Klavier im klassischen “Hard To Make It Easy” und erwähnte Keyboards (beispielsweise lobenswert bei “Breakout” hervorzuheben) ergänzt und rhythmisch immer wieder attraktiv eingeordnet – abermals unter anderem in “Breakout” mit seinem souverän groovenden Chorus.

Fazit:
Und so ist “ATBPO” ein höchst professionelles Album, dass sich neben einem etwas schmerzhaften Klaviersound bei “Cold As December” und etwas zu harter Schlager-Balladigkeit bei “Can’t Afford A Hero” praktisch keine Patzer leistet, vielleicht nicht den Innovationspreis gewinnt, aber für die Hard-Rock-Fraktion unter unseren Lesern zweifelsohne eine feine Sache sein sollte!

Anspieltipps:
“Breakout”, “Bance”, “Monkey” und “Hard To Make It Easy”

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Coming For You
02. Bring It All Home To Me
03. Breakout
04. Hard To Make It Easy
05. Can’t Afford A Hero
06. Cold As December
07. Dance
08. The Hardest Road
09. Monkey
10. A Lucky Man
11. Tomorrow

Jannis

LEGIONS OF THE NIGHT – Sorrow Is The Cure

Band: Legions Of The Night
Album: Sorrow Is The Cure
Spielzeit: 56:29 min
Stilrichtung: Power Metal
Plattenfirma: Pride & Joy Music
Veröffentlichung: 20.08.2021
Homepage: www.facebook.com/Legions-of-the-Night-102006271677428

In vielen Fällen hat Corona dafür gesorgt, dass Menschen verstärkt kreativ werden. Das hat uns leider irgendwelche TikTok-Trends und -Hits beschert, aber eben auch LEGION OF THE NIGHT, bestehend aus Jens Faber und Philipp Bock (DAWN OF DESTINY) sowie Henning Basse (METALIUM, Ex-FIREWIND) am Mic.
Das erste Album ließ nicht lange auf sich warten, nennt sich “Sorrow Is The Cure” und wurde von Dennis Köhne gemischt, der die Platte sowohl in Sachen Härte als auch in Ausgewogenheit und Kraft sauberst in Szene gesetzt hat.
Ansonsten muss man zum Handwerk keine Worte verlieren, das sitzt bei den Jungs natürlich und Henning gibt erfolgreich alles, sodass auch die Gesangsleistung abseits von zwei kurzen Stellen, die aus irgendwie unkomfortablen AAAAH- bzw. WOO-AAAAH-Schreien bestehen.
Musikalisch ist “Sorrow Is The Cure” eine Mischung aus Heavy Metal und düstererem Power Metal, gerne mal angereichert mit Klavier oder Orchestersounds und in seiner Art insbesondere mit SAVATAGE vergleichbar, ohne abkupfernd zu wirken (außer erwartungsgemäß vielleicht beim “Sirens”-Cover am Ende des Albums). Lässt man die beiden etwas zu schmalzigen Balladen “Rescue Me” und “Someday Somewhere” außer acht, von denen letzterer eh der durchschnittlichste Song der Platte ist, ist “Sorrow Is The Cure” angenehm unkitschig, verlässt sich auf eine gesunde Grundhärte (Gitarren- und Drumarbeit und -sound leisten hier ganze Arbeit) und eine düstere Stimmung ohne viel Dur, ohne die üblichen Power-Metal-Feelgoodwendungen und ohne cheesy Synthesizer. Stattdessen gibt es auch mal die ein oder andere apokalyptische Hörnerfraktion, sehr variierenden Gesang, zwischen metallisch kreischend und zahm, kräftige Backing Vocals und Chöre und allgemein eine Atmosphäre, die vom gelungenen Cover angemessen widergespiegelt wird.
Und der größte Teil ist echt geil. Gut, ab und zu findet sich ein kleines Manko – Ich habe nach wie vor auf musikalischer Ebene den SABATON-Twist im Chorus zu “Walls Of Sorrow” nicht verstanden – aber meistens agieren LEGIONS OF THE NIGHT auf echt hohem Level. Und wenn es dann kompositorisch doch einmal etwas mehr 08/15 wird, wie im Chorus zu “Shoot And Save”, wird dies immer noch locker durch die Arrangements und die Produktion kompensiert. Oft ist das aber eben eh nicht nötig. “Train To Nowhere” ist die zur Pommesgabel geformte Hand im Nietenhandschuh, die bei der Geburt von LEGIONS OF THE NIGHT als erstes rauskommt und eventuelle Zweifel beseitigt, “Lie” hat einen kurzen Reggaeton-Beat-Part (kein Witz) und stampft in bedrohlicher Aufmachung, “Pay The Price” ist halb trocken und ein bisschen böse, halb Fettheitseskalation. Bei “Sorrow Is The Cure”, das in der ersten Hälfte mehr Sorrow und in der zweiten mehr Cure ist, lassen sich leichte Post-Rock-Vibes und eine mitreißend tragische Atmosphäre finden, und all das wird genau so geliefert, wie es in der Werbung aussieht.

Fazit:
Hart und dick produzierter Power Metal ohne Einhörner und sonstigen fröhlichen Mist plus zwei Balladen, die Geschmackssache sind und ggf. nicht ganz so gut in den dominanten Stil von “Sorrow Is The Cure” passen, sollte im mindesten 40 Minuten in jeder Hinsicht starken Content ergeben, wenn man das Cover aufgrund seiner Coverartigkeit noch abzieht. Für Freunde der dunklen Seite des Power Metals absolute Reinhörempfehlung!

Anspieltipps:
“Train To Nowhere”, “Pay The Price”, “Sorrow Is The Cure” und “Lie”

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Train To Nowhere
02. Lie
03. Walls Of Sorrow
04. Find The Truth
05. Someday Somewhere
06. We All Walk Alone
07. Shoot And Save
08. Sorrow Is The Cure
09. Pay The Price
10. Rescue Me
11. Sirens

Jannis

SAEKO – Holy We Are Alone

Band: SAEKO
Album: Holy Are We Alone
Spielzeit: 50:44 min
Stilrichtung: Power Metal
Plattenfirma: Pride & Joy Music
Veröffentlichung: 20.08.2021
Homepage: www.facebook.com/SaekoIronEmpress

Es gibt Bands, die sich gefühlt zusammensetzen und darüber nachdenken, wie sie das nächste Album vollkriegen können. Dann kommt eine zweite Ballade dabei raus, Narration vor jedem zweiten Song, fünf Minuten Outro und vier Lückenfüller. Aber es gibt auch SAEKO, bei der die Frage eher lautete, wie man all die gesammelten Ideen irgendwie sinnhaft in einem Album unterbringt. Kein Wunder, schließlich lag ihr Projekt 15 Jahre auf Eis und oh Junge, die Frau hatte kreativen Druck. Mit ihrer deutsch-italienischen Truppe aus Guido Benedetti (TRICK OR TREAT, Gitarre, Keyboard, Co-Songwriting), Alessandro Sala (RHAPSODY OF FIRE, Bass) und Michael Ehré (GAMMA RAY, THE UNITY etc., Drums) im Rücken und der astreinen Produktion unter TRYPTIKONs V. Santura hat sich ein Problem der ersten beiden Alben schonmal gegeben: Die Platte ist nicht nur von einem Team aus absoluten Vollprofis sauber und durchdacht eingespielt, sie klingt auch bestens.
Saekos Stimme tut an der Stelle ihr Übriges. Ob durchdringend kraftvoll metallisch, operesk oder poppig: Die Vocals sind wunderbar wandlungsfähig und in jedem Stil professionell klingend.
Textlich geht’s um die Reise einer wiedergeboren werdenden Seele über verschiedene Länder der Welt (was auch die Namensgebung der Songs erklärt), die Lyrics sind dementsprechend auch mal auf deutsch, hawaiianisch oder sanskrit (!) und die Reise spiegelt sich in der Musik wieder, die dem durchschnittlichen, musikalisch europäisch sozialisierten Metal-Europäer leicht zu hören fällt, dabei jedoch ein richtiges Maß an landestypischen unterschiedlichen Einflüssen und einen präsenten aber nicht “Folk-Metal”-relevanten Anteil an traditionellen Instrumenten mitbringt.
Kann man machen, um über mangelnde Tiefgründigkeit hinwegzutäuschen, auf “Holy Are We Alone” passiert jedoch das exakte Gegenteil.
Verdammt, ist dieses Album unterhaltsam. Track 1 und 10 streichen wir mal, das sind kurze Narration-Tracks, doch bereits “Japan” geht voll auf’s Ganze. Ja, das ist schon Power Metal, aber mit guten Melodien, einem gesunden Maß an mehr Komplexität auch in der Strophen- und Chorusarbeit und mit einem höchst spaßigen Mittelteil mit funkiger Bass- und fröhlicher Gitarrenline (plus mehr), der dem Zuhörer unmissverständlich klarmacht, dass ihn hier ein absolutes Entertainmentpaket erwartet. “UK” ist sympathisch fröhlich mit seinen Flötchen, schlagerig-eingängig, aber in keinster Weise nervig oder zu standard, und bei “Germany” wird es 8,5 Minuten ebenfalls hart vielseitig, mit bemerkenswert gut gesungenen “Königin der Nacht”-Parts (denn das muss man ohne Scheiß auch erstmal hinkriegen) und deutlichem Neoklassik-Anteil. “In “India” ist man intensiv-dicht unterwegs, “Brazil” ist klavier-supporteter astreiner Power Metal und “Hawaii” ist gut gemacht, aber für meinen Geschmack zu Disney.

Fazit:
Das ist eine der Rezensionen, bei denen ich ewig weiter schreiben könnte, über all das Detailreichtum und die starken Kompositionen, die Ausführung vonseiten aller Beteiligten und die Unkonventionalität bei gleichzeitiger Eingängigkeit. Würde aber ausarten, also lasst Euch überraschen, aber gebt dem Ding eine Chance. Power Metal, wie man ihn sich wünscht, wie man ihn aber nicht erwartet.

Anspieltipps:
“Japan: In My Dream”, “Germany: Rebellion Mission”, “India: Farewell To You I (From Father To Son)” und “Brazil: Splinters Of The Sun“

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Circle Of Life
02. Japan: In My Dream
03. Syria: Music, My Love
04. UK: Never Say Never
05. Germany: Rebellion Mission
06. India: Farewell To You I (From Father To Son)
07. Brazil: Splinters Of The Sun
08. Hawaii (USA): Farewell To You II (From Mother To Daughter)
09. Russia: Heroes
10. Holy Are We Alone

Jannis

REBELLION – We Are The People

Band: Rebellion
Album: We Are The People
Spielzeit: 54:11 min
Stilrichtung: Heavy Metal
Plattenfirma: Massacre Records
Veröffentlichung: 23.07.2021
Homepage: www.facebook.com/rebellionmetal

Hier sitze ich nun einmal wieder vor der Rezension zu einem Album, das ich etwas schwächer finde als die meisten meiner Kollegen bei anderen Magazinen. Daher zu Anfang der Rat an alle Leser, die sich nach der Rezension nun denken “Ach, okay, dann geb ich mir die Platte vielleicht eher nicht”, ruhig mal noch eine zweite und dritte Meinung einzuholen, denn man will ja niemandem von einem Album abraten, dem andere Leute mit Ahnung begründet gute Bewertungen geben.
“We Are The People” ist klanglich das, was man als Teutonic Heavy Metal der Marke ACCEPT und GRAVE DIGGER kennt, mit oft äußerst rauen Vocals von Michael Seifert, die teils, gerade in so einigen Strophen, komplett unmelodisch ausfallen, aber auch bei Klargesangsstellen funktionieren und so in an sich melodischem Metal eben selten vorkommen; was ein positives Alleinstellungsmerkmal ist.
Die Gitarrenfraktion pendelt zwischen feiner trockener Riffarbeit und leider auch dem ein oder anderen uninspirierten Moment, gerade bei den Refrains wäre hier etwas mehr drin gewesen als die so oft auftauchenden, lang gehaltenen Powerchords.
Klangtechnisch geht “We Are The People” schon klar, leidet ein wenig unter einem etwas zu matschigen Bass und dem fehlenden finalen Bisschen Druck.
Kompositorisch hat “We Are The People” einige spannende Momente und einiges an Durchschnitt, der ein roh gehaltenes Album zu transportieren vermag, dabei aber nicht allzu viel Eindruck hinterlässt. Die spannenden Momente finden sich beispielsweise in einigen doch eher ungewöhnlichen Harmoniefolgen, wie beim Chorus zu “Risorgimento (Tear Down The Walls)”, in der Verschmelzung von Kriegssounddesign und Drums am Anfang von “Verdun” oder im vorsichtig optimistischen Songwriting des Titeltracks. Und ab und an ist halt auch mal ein kleiner Fehltritt dabei, wie der Einsatz der deutschen Nationalhymne als Chorus von “Vaterland”, der ja an sich in Kombination mit einem nationalismuskritischen Text eine echt gute Idee ist, aber im musikalischen Kontext des ruhigen Prechorus einfach seltsam und zu bemüht anmutet.
Ein Kritikpunkt muss noch, und der geht an die Lyrics. Wenn man sich Rassismus- und Nationalismuskritik als Thema für ein komplettes Album raussucht und über die Tracks hinweg quasi historisch betrachtet, bietet das verdammt viel Potenzial für tiefgehende, mitnehmende Lyrics. Die auf “We Are The People” beschränken sich jedoch leider auf das typische Metal-Vokabular und kommen selten darüber hinweg, Geschehnisse und Situationen über Doku-Niveau zu erzählen, mit Jahreszahlen, Orts- und Personennennungen und einigen dramatischen Catchphrases. Hier hätte es andere Herangehensweisen benötigt, vielleicht andere Erzählperspektiven und mehr Subtilität, die einem Song mit viel Textpotenzial wie “Shoa (It Could Have Been Me)” dienlicher gewesen wären als Lines wie “Were they possessed by some demon? Or was it just a human game?”.

Fazit:
Das war jetzt viel Kritik, daher sollte an dieser Stelle noch einmal gesagt werden, was “We Are The People” auch ist: ein klassisches Teutonic-Heavy-Metal-Album mit so manchen Melodien und Riffs, die erfreulich unausgelutscht sind, angenehm roh und unpoliert und ambitioniert, sich im Songwriting etwas abzusetzen und inhaltlich die Welt ein bisschen besser zu machen. Was es nicht ist: das, was es hätte sein können, wenn man soundtechnisch und kompositorisch an durchschnittlicheren Stellen etwas mehr Arbeit investiert und textlich mehr die ausgetretenen Pfade verlassen hätte.

Anspeltipps:
“Sweet Dreams”, “Gods Of War”, “Shoa (It Could Have Been Me)” und “We Are The People”

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Voices Of War
02. Risorgimento (Tear Down The Walls)
03. Liberté, Egailté, Fraternité
04. Sweet Dreams
05. Vaterland
06. Verdun
07. Ashes To Light
08. Gods Of War
09. Shoa (It Could Have Been Me)
10. World War II
11. All In Ruins
12. We Are The People

Jannis

TALENTSCHMIEDE: Jetpack Samurai

Band:
Jetpack Samurai

Gegründet:
2016 – die drei übrigen Mitglieder der Prog-Rock-Gruppe MONO und ein neuer Drummer haben sich auf neue Musik eingelassen und neue Songs geschrieben – und brauchten auch einen neuen Namen. Den haben wir jetzt, und er macht großen Spaß.

Herkunft:
Gevelsberg zwischen Hagen-Witten-Solingen

Mitglieder:
Wolfgang Niggel – Gitarre, Gesang
Robert Krause – Gitarre
Thorsten Knefel – Bass
Jürgen Wulf – Drums

Stil:
Vintage-Groove-Rock

Veröffentlichungen:
Flight Recorder (2021, Album)

Einflüsse:
Oceansize, Selig, Ozric Tentacles, Nina Hagen, Brant Björg, Color Haze, Aerosmith, J. J. Cale

Was wir die nächsten fünf Jahre erreichen möchten:
Live spielen, auch gern in kleinen Clubs, Kneipen, aber auch Festivals, ein paar CDs verkaufen, und mit dem Geld ’ne neue Auflage pressen.

Was als nächstes kommt:
2021 – Videos machen für die Songs, Live-Shows spielen, neue Songs schreiben.

Unsere beste Erfahrung bis jetzt:
Dieses fantastische Album endlich in Händen zu halten und uns danach nicht aufgelöst zu haben 😉

Unser peinlichster Moment:
wir sind in einem Alter, da ist einem nichts mehr peinlich, das kommt erst wieder in ca. 15 bis 20 Jahren.

Mit wem wir gerne ein Bierchen trinken würden und warum:
Derzeit mit jedem. Am liebsten mit Fans, die halb so alt sind wie wir selbst. Dabei sind wir im Schnitt knapp unter 50, im besten Mannesalter!

Wenn wir uns eine Band aussuchen könnten, mit der wir auf Tour gehen dürfen:
Gojira!!!!

Das Beste daran, in einer Band zu spielen:
Mit coolen Jungs abhängen, zusammen großes Neues erschaffen, sich bepissen vor Lachen, und weil wir das schon immer machen.

Das Schlimmste daran, in einer Band zu spielen:
Den Tisch im Proberaum zu putzen, den die andere Band wieder mal völlig versaut zurückgelassen hat, und wenn dann auch noch kein Bier mehr da ist.

Online:
www.facebook.com/samuraijetpack

Musik:
Spotify: www.open.spotify.com/artist/0pnGM08yzZcEdUtGVw3lbB
Youtube: www.youtube.com/channel/UCJFVt5NWI_TlJLJL6mHiWdg
Soundcloud: www.soundcloud.com/samuraijetpack
Live-Dates: Hehe, sehr witzig.

 

CLIVE NOLAN – Song Of The Wildlands

Band: Clive Nolan
Album: Song Of The Wildlands
Spielzeit: 57:15 min
Stilrichtung: Progressive Rock
Plattenfirma: Crime Records
Veröffentlichung: 01.09.2021
Homepage: www.facebook.com/clive.nolan.7

In Zeiten von digitaler Musikproduktion, in denen quasi jedes Instrument und auch Chöre soweit realistisch in Soundbibliotheken verfügbar sind, ist das Rock/Metalalbum mit echtem Orchester, echtem Chor und echten Instrumenten abseits von Gitarre, Bass und Drums langsam zu einer aussterbenden Gattung geworden. Schließlich erfordert so ein Album krassen Personalaufwand, wahlweise hohe Investitionen oder die Bereitschaft vieler zur Arbeit für wenig Geld – und möglich genug, dass man je nach Aufnahme letztendlich ein Resultat hat, das weniger gut produziert klingt als eines, das man mit ein paar Oberklasse-Instrumenten-Plugins erreicht hätte.
Doch gibt es nach wie vor die Fraktion, die weiß, dass echte Instrumente einem Album einen Charakter und einen Sound geben können, die auf digitalem Weg schwer erreicht werden können. Einer davon ist Clive Nolan, der mit “Song Of The Wildlands” nun sein eigentlich bereits für letzten Mai angekündigtes neustes Werk veröffentlicht hat. Gut, ein Teil des Orchesters entspringt Nolans Keyboard-Künsten und lässt gerade im Intro Sorgen aufkommen, es könnte sich um ein eher günstig-retro-episch klingendes Album handeln. Die Sorge erweist sich als unbegründet, denn nach dem recht preiswert klingenden Anfang geht die Qualität steil nach oben. Mehrere Solo-Sänger und -Sängerinnen, ein 200-köpfiger Chor, Perkussion und diverse traditionelle Instrumente, starkes Sounddesign und eine treibende Rock-Instrumentalisten-Fraktion führt Nolan zusammen zu einem extrem guten Sound, der neben der gelungenen Mix/Master-Arbeit auch auf die herausragenden Arrangements zurückzuführen ist. Das hat mit “Streicherteppich, ’n AAAAAH-Chor und ’n paar Hörner drauf” gar nichts zu tun, im Gegenteil. Das Zusammenspiel von mittelalterlichen Klängen, Orchester, Chor und Rockband wirkt wie aus einem Guss, mal ruhig folkig, mal bombastisch treibend, aber stets mit Kreativität dahinter, mit musikalischem Tiefgang und mit Ausreizung der Möglichkeiten von Chor und Instrumenten.
Die Rock-lastigen Parts sind dabei vielleicht etwas seltener als erwartet, sicher die Hälfte der Platte ist Gitarren-, Bass- und drumfrei, was sich im Sinne von “Song Of The Wildlands” aber als gute Mischung erweist. Schließlich sind die Rock-losen Parts keinesfalls nur Lückenfüller oder Überbrückungen zwischen den einzelnen abgehenderen Parts, fallen stattdessen sehr stimmungsvoll und klanglich teils wirklich extrem schön aus. Einziger Kritikpunkt: Praktisch jeder Track beginnt mit einem Erzähler, der nicht Christopher Lee ist und die ansonsten dichte Atmosphäre der Platte teils unterbricht. Solche Texte hätte man auch ins Booklet packen können und auf dem Album die Musik für sich sprechen lassen. Aber das sollte nun wirklich niemanden vom Abchecken dieses Albums abhalten.

Fazit:
Wenn man eine dermaßene Arbeit und dermaßene Mengen an Beteiligten für ein Album auffährt, macht man das entweder zu Promozwecken, oder weil es tatsächlich einen Mehrwert bietet. Letzteres tut es bei “Song Of The Wildlands” ohne Frage, denn dank der starken Arrangements und der Liebe zum Detail ist die Platte viel mehr als nur eine Stunde Folk-Gedudel und Bombast. Nein, hier haben wir es mit einem 1a-Lagerfeuersoundtrack für Sommernächte zu tun, mit einem Klanggebilde, das einem Träumerei und Gänsehaut ohne Penetranz anbietet, beim konzentrierten Anhören nicht minder unterhält und seine Ressourcen komplett ausreizt. Schön, lieber Clive. Ein wirklich schönes Ding!

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. The Story Begins
02. There’s A Threat
03. Crossing The Ocean
04. Beowulf’s Promise
05. Grendel Attacks
06. Celebration
07. The Hag’s Revenge
08. Journey
09. Underwater Cavern
10. Rewards
11. Beowulf, The King
12. Dragon Fire
13. The Warrior Dies
14. Funeral Pyre
15. The Story Ends

Jannis

I AM ALIZ – Dead: Seals Of Separation

Band: I Am ALIZ
Album: Dead: Seals Of Separation
Spielzeit: 32:59 min
Stilrichtung: Industrial Metal
Plattenfirma: Ishtar Rising
Veröffentlichung: 13.06.2021
Homepage: www.facebook.com/alizmusic

Mal wieder eine kleine Überraschung, die da in das Rock-Garage-Postfach reingeflattert ist: I AM ALIZ – nie gehört, kurz ein, zwei Songs angetestet und für rezensierenswert befunden, da die Sache in so mancher Hinsicht doch schon was besonderes ist. Das deutsche Soloprojekt bewegt sich im Industrial-Metal-Bereich, ziemlich elektronisch, ohne dabei metallische Klänge außen vor zu lassen, mit acht Tracks und guten 30 Minuten Spieldauer.
Produktionstechnisch kann man ein wenig meckern: Zum Teil, gerade bei den Drums und den Gitarren, klingt “D:SOS” ein bisschen mittenlastig und könnte ein wenig mehr Definiertheit vertragen, das kompensiert man aber durch massiiiiven Druck hinter der Gitarren- und Drum-Produktion und zwar mit vollem Erfolg. Beginnt Track 1 klangtechnisch recht kraftlos (kalkuliert, wohlgemerkt), so knallen die Gitarren, wenn sie denn kommen, mit brutaler Wucht rein, ohne die etwas leiseren anderen Elemente zu verdrängen. Mit diesen Lautstärkeunterschieden arbeitet I AM ALIZ gerne, was als individuelles Soundmerkmal sehr gelungen und dem Hörerlebnis dienlich ist.
Ebenfalls hervorzuheben: die Vocals. Die Stimme von Aliz ist für Electro/Gothic/Industrial sehr geeignet; individuell, ausdrucksstark, wandelbar (Einfach mal die Vocals von Track 1 mit denen von Track 6 vergleichen) und jederzeit unter Kontrolle.
Und musikalisch? Musikalisch ist “D: SOS” ein in elektronischer Hinsicht recht verspieltes Werk geworden, das sich beispielsweise viel elektronische Drumsounds leistet, eine sehr eigene Atmosphäre aufbaut, mit mehrstimmigen oder klanglich verfremdeten Vocals arbeitet und den einzelnen elektronischen Sounds Liebe widmet, sei es die grummelnde Bassline bei “Hypocrisy”, die fetten Synthesizer in “Alienation” oder auch mal eine klassische E-Orgel bei “Seal”. Ja, das Sounddesign macht viel aus bei der Platte, wobei die Songs in kompositorischer Hinsicht allerdings nicht abstinken. Lediglich beim finalen “The I In You” ist die Luft ein bisschen raus und man ist eher etwas auf stabilem Lückenfüller-Niveau unterwegs, doch ansonsten lässt sich über das Songwriting soweit nichts Negatives sagen.
Blickt man auf “Seal” (mit leider etwas störendem Echoeffekt auf der Stimme) und “Sparkling Eyes”, muss man hier stattdessen noch einmal umso ausdrücklicher loben. Jap, es sind die beiden – ziemlich rocklastigen – „Balladen“ bzw. nachdenklicher klingenden Songs der Platte (wobei “Seal” noch ordentlich Dampf bekommt), aber bei diesen zeigen sich bisher auf dem Album ungehörte Songwritingkompetenzen – das sind, kurz gesagt, einfach arschschön geschriebene Tracks.

Fazit:
Ein bisschen Punktabzug für einen doch schwächeren Song, ein paar Soundangelegenheiten und eine sehr kurze Spieldauer. Abgesehen davon großer Respekt für dieses Album, das Industrial-Sounds und Metal hervorragend und innovativ zu verbinden vermag, stark gesungen, gut durchdacht und schön bis hart schön komponiert! Im Underground findet man doch immer die schönsten Sachen.

Anspieltipps:
“Alienation”, “Bleed My Heart”, “Seal” und “Sparkling Eyes”

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Alienation
02. Bleed My Heart
03. Dead
04. Devil On The Run
05. Hypocrisy
06. Seal
07. Sparkling Eyes
08. The I In You

Jannis

VHF (VINCIGUERRA HOEKSTRA FRANKLIN) – Very High Frequency

Band: VHF (Vinciguerra Hoekstra Franklin)
Album: Very High Frequency
Spielzeit: 36:04 min
Stilrichtung: Progressive Psychedelic Rock (?)
Plattenfirma: Golden Robot Records
Veröffentlichung: 25.06.2021
Homepage: www.facebook.com/VHFtheband

“Vinciguerra Hoekstra Franklin” klingt nach dem Titel eines Liedes von CARACH ANGREN, ist aber eigentlich ein Projekt von Joel Hoekstra (WHITESNAKE und so), Tony Franklin und Todd “Vinny” Vinciguerra. Ein spezielles Projekt, muss man dazusagen, denn die Strategie “Einer spielt was ein und dann macht jeder seine Sachen drauf” ist normal etwas, was Bands während Corona machen und dann hoffen, dass es nicht auffällt. VHF machen das einfach mal zu ihrem Selling Point: erst die Drums, dann macht jeder individuell Sachen drauf und dann läuft schon. Was erstmal so klingt, als würde es in einigermaßenem Chaos resultieren, ist natürlich an sich eigentlich eine gute Sache, zwingt einen doch ein gegebenes Drumfundament dazu, sich diesem bei der Komposition anzupassen und darauf einzugehen, was Grenzen im eigenen Songwriting-Verständnis erweitert, wenn die Drums denn nicht allzu basic ausfallen.
Das tun sie auf “Very High Frequency” nicht und das Resultat dieser unkonventionellen Zusammenarbeit dreier starker Musiker ist höchst seltsam, aber eben auch geil in seiner Art. Kurz zusammengefasst könnte man sagen, dass die mit 36 Minuten Spieldauer recht kurze Platte klingt, als hätte eine Psychedelic-Rock-Gruppe nach größeren Einkauf guter Substanzen und professioneller Dosierung dieser ein Album mit Neo-Prog- und ZAPPA-Einflüssen gebastelt; mal irgendwie feierlich (“Invisible Thread”), mal komisch synth-angereichert (“Shattered Insomnia”), mal komplett Banane (“Conception To Death”) und mal ganz ruhig und hypnotisch (“All Is Within”). Dabei beweist man ein gutes Händchen für die eingängigeren Melodien ebenso wie für die bizarreren, bringt elektronische Elemente sinnig mit ein und ist letztendlich einfach ordentlich trippy.
Subjektiv ist man damit erfolgreich, sollte das Ziel der Platte denn sein, den Hörer vom Hinterfragen abzubringen. Innerhalb kurzer Zeit hat man die unkonventionelle Art des Albums akzeptiert, sich darauf eingelassen und lässt einfach fließen, durch die unerwarteten Stimmungswechsel, schmeichelnden Gitarrenmotive und seltsamen Brüche, die “Very High Frequency” mit dem nötigen Selbstbewusstsein präsentiert. Trotz der Freiheit der beteiligten Künstler, die ihnen das oben erwähnte Kompositionskonzept gewährt, klingt VHS‘ erste Meldung nicht willkürlich, nicht unpassend zusammengeschustert. Die Songs funktionieren allesamt, wenn man bereit für sie ist, Bock hat auf weitestgehende Vocallosigkeit und eine komisch-unterhaltsame Mischung aus Eingängigkeit und totaler Nicht-Eingängigkeit.
So ein Album kann komplett in die Hose gehen. Es ist wohl insbesondere der Besetzung zu verdanken, die mit Ahnung und Kreativität agiert, dass dies absolut nicht passiert ist.

Fazit:
Wie oben gesagt: Ihr wollt wissen, wie FRANK ZAPPA feat. TRANSATLANTIC geklungen hätte? VHF geben Euch da einen recht guten Einblick und wenn das kein Kompliment ist, weiß ich auch nicht. Musikalisch und konzeptionell so unkonventionell wie zündend.

Anspieltipps:
Entweder das ganze Album in einem oder “Invisible Thread”, “All Is Within” und “Conception To Death”

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Shattered Insomnia
02. Whispers Of The Soul
03. Suspended Animation
04. Conception To Death
05. Invisible Thread
06. Backside Of Your Eyes
07. All Is Within

Jannis

DENNIS DEYOUNG – 26 East Vol 2

Band: Dennis DeYoung
Album: 26 East Vol 2
Spielzeit: 52:17 min
Stilrichtung: AOR/Classic Progressive Rock
Plattenfirma: Frontiers Music s.r.l.
Veröffentlichung: 11.06.2021
Homepage: http://www.dennisdeyoung.com/

Wäre Dennis DeYoung auf Eurer Hausparty eingeladen, wäre er der Typ, der kurz nach Mitternacht verkündet, er mache sich jetzt auf dem Heimweg, um anschließend noch zwei Stunden ordentlich die Sau rauszulassen. Schließlich sollte bereits „26 East“, im Frühling 2020 erschienen, den Abschied von weiteren Neuveröffentlichungen darstellen, aber was soll’s, ein Album bleibt man dann halt schon noch da. Eine letzte Chartplatzierung in den Schweizer Albumcharts für den Ex-Sänger und Tastenmann von STYX, eine finale Verabschiedung – klingt nicht danach, als würde Dennis hier noch einmal große Innovationen auspacken, aber das will man bei so einer Platte halt auch nicht und das passiert auch nicht.
Nein, stattdessen feiert man knapp über 50 Minuten klassischen, etwas angeprogten AOR der alten Schule, die Dennis zweifelsohne bestens beherrscht. Der Sound ist im Vergleich zu den heutigen Möglichkeiten nicht ganz optimal, funktioniert aber wunderbar mit der dargebotenen Musik, die klassische Rockband wird erwartungsgemäß durch Schmankerl wie Klavier, Orgel, Keyboards, diverse orchestrale Töne und Chorelemente erweitert und in einem mal gut gelaunten, mal emotionaleren Album zu etwas kombiniert, das trotz all der aktuell aktiven AOR-Bands auszusterben droht, wenn sich nicht eine weitere Retro-Bewegung gründet: Adult Oriented Rock mit Kenntnis von Musiktheorie, um es mal überspitzt auszudrücken, und mit Einflüssen abseits anderer Bands des Genres. Die Art der Komposition, die “26 East Vol 2” definiert, ist nicht weniger auf Feelgood-Harmonien, große Emotionen und Eingängigkeit fokussiert, als jüngere Vertreter des Genres, erreicht dies aber durch ein Melodieverständnis, das eher dem populärer Klassik und Musicals entspricht und die auf Melodieebene zum Vorschein kommende Progressivität in den Vordergrund stellt.
Nun gibt es auch bei dieser Art von Songwriting bessere und schlechtere Alben und DeYoungs Abschlusswerk zählt wohl nicht zu den Ausnahmewerken – aber egal, “26 East Vol 2” ist insgesamt einfach verdammt sympathisch und erzeugt exakt die Stimmung, die es erzeugen will. Dazu trägt die BEATLES-Würdigung “Hello Goodbye” ebenso bei wie die Abrechnung mit der heutigen Musikindustrie “The Last Guitar Hero” oder “There’s No Turning Back Time”, das halb Ballade und halb keine Ballade ist und ein paar dramatischere Nuancen mitbringt. Auch “Little Did We Know” ist ein witziges Ding geworden, mit netten kleinen Startschwierigkeiten und Spaß machendem Synthbreak und nach dem uuuultra-soft-warm-weich-angenehmen “Always Time” kommt mit “The Isle Of The Misanthrope” noch ein sehr gelungenes 6,5-Minuten-Opus, das alle Geschütze auffährt.

Fazit:
Ja, man kann “26 East Vol 2” einen etwas zu hohen Anteil an ruhigen Tracks unterstellen und ggf. einen etwas zu hohen Mangel an wirklich herausragenden Songs, aber dafür ist die Platte auf einem hohen Grundniveau angesiedelt und transportiert genau die Stimmung, die man von einer letzten DeYoung-Meldung erwartet. Komposition, klangliche Umsetzung und Instrumentierung machen einfach durchgänglich nostalgische Freude. Steuert dem Mann etwas zu seiner wohlverdienten Rente bei, das Album kann in keiner Plattensammlung schaden!

Anspieltipps:
“The Isle Of The Misanthrope”, “Little Did We Know”, “There’s No Turning Back Time” und “Hello Goodbye”

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Hello Goodbye
02. Land Of The Living
03. The Last Guitar Hero
04. Your Saving Grace
05. Proof Of Heaven
06. Made For Each Other
07. There’s No Turning Back Time
08. St. Quarantine
09. Little Did We Know
10. Always Time
11. The Isle Of The Misanthrope
12. Grand Finale

Jannis