KNIGHT AREA – Heaven And Beyond

Band: Knight Area
Album: Heaven And Beyond
Spielzeit: 62:32 min
Stilrichtung: Progressive Metal / Neo-Prog
Plattenfirma: Butler Records
Veröffentlichung: 10.02.2017
Homepage: www.knightarea.com

Die bereits seit 2004 aktiven Niederländer KNIGHT AREA waren mir bisher kein Begriff – umso erfreuter bin ich die Band nun durch Ihr mittlerweile 6. reguläres Studioalbum entdeckt zu haben. Mag der recht oberflächliche Promo-Zettel noch hauptsächlich von Neo-Prog und entsprechenden Einflüssen wie Camel oder Genesis sprechen, so passen die Jungs auf „Heaven And Beyond“ doch am ehesten in die (seichtere) Prog Metal Ecke. Was wohl vor allem an Gitarrist Mark Bogert liegt, der der Band seit seinem Einstieg 2012 eine etwas härtere Kante verpasst hat. Soviel vorweg: KNIGHT AREA liefern mit dem in zweijähriger Arbeit entstandenen Album einen echtes Highlight ab.

Gleich zu Beginn lässt der ungemein fette und transparente Sound der Platte aufhorchen. Der Opener „Unbroken“, flankiert von luftigen Gitarrenriffs und in ein fettes Drum/Bass Fundament eingebettet, bietet Sänger Mark Smit gleich die besten Voraussetzungen seine hochmelodischen Parts zu intonieren. Weiter geht es mit dem nicht minder starken, durch eine maßgeschneiderte Hookline veredelten „Dreamworld“, bevor in „The Reaper“ die ersten Dream Theater Parallelen auszumachen sind. Zur modernen Inkarnation von DT allerdings. Diese sind in dem eleganten Titeltrack noch stärker vertreten, vor allem in der Melodieführung. Was soll ich sagen? Mir gefällt die Interpretation dessen, was DT seit 4 Alben versuchen, bei KNIGHT AREA um einiges besser. Denn die Jungs verstehen es einfach, melodische Songs in rockigere Arrangements zu packen (was den großen US Paten im Gegenzug leider ein ums andere Mal misslingt). Dass „Heaven And Beyond“ dann auch noch eine viel bessere Produktion hat, hilft natürlich auch … Wir wollen es mit den Vergleichen aber nicht übertreiben, denn KNIGHT AREA haben durchaus Ihren ganz eigenen Sound. In diesem sind zwar auch Menge Saga oder traditionell britische Neo-Prog herauszuhören. Doch es klingt zu keinem Moment wie ein blasser Abklatsch. Nicht alles auf „Heaven And Beyond“ hat das Niveau der angesprochenen Tracks: das durchschnittliche „Saviour Of Sinners“ sowie das belanglose, beinahe schon nervige Instrumental „Eternal Light“ hatte man sich sparen können. Besonders löblich ist allerdings, dass nicht wie üblich das Ende des Albums mit Füllmaterial gestreckt wird. Mit dem abwechslungsreichen Prog Spektakel „Twins Of Sins” und der klasse Ballade „Memories“ (in der die Band ganz dezente Journey Referenzen einflechtet) sind einige der stärksten Tracks sogar ganz ans Ende gestellt.

Wer auf „entspannten“ Prog Metal/Rock irgendwo zwischen den allgegenwärtigen Dream Theater, Saga und Marillion steht, sollte sich das neue Album von KNIGHT AREA definitiv auf dem Einkaufszettel schreiben. Bei „Heaven And Beyond“ handelt es sich zwar um keinen Meilenstein des Genres, aber die Platte macht dennoch mehr Spaß als das Gros der Veröffentlichungen in diesem Sektor der letzten Jahre (zumal sich auch die Produktion mehr als hören lassen kann). Ein Prog Highlight des noch jungen Jahres.

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Unbroken
02. Dreamworld
03. The Reaper
04. Box Of Toys
05. Starlight
06. Heaven And Beyond
07. Saviour Of Sinners
08. Eternal Light
09. Twins Of Sins
10. Tree Of Life
11. Memories

Mario

 

SOEN – Lykaia

Band: Soen
Album: Lykaia
Spielzeit: 49:42 min
Stilrichtung: Progressive Metal
Plattenfirma: UDR
Veröffentlichung: 03.02.2017
Homepage: www.facebook.com/SoenMusic

Nach dem bereits starken Debüt aus dem Jahr 2012 („Cognitive“) und dem nicht minder überzeugenden 2014er Nachfolger „Tellurian“ legen die Schweden SOEN nun ihr drittes Langeisen vor. Und „Lykaia“ ist ein weiteres Schwergewicht im Prog/Düster Sektor, ein Album, das den aktuellen Status der Jungs um den ehemaligen Opeth Schlagzeuger Martin Lopez auch weiterhin festigen wird. Mit einem schnieken Atwork versehen und dank einer wunderbar erdigen Produktion von Gitarrist Marcus Jidell (Mix: Stefan Boman, u.a. The Hellacopters) bleibt die Truppe sich weitestgehend treu und schmiedet neuerlich ein hypnotisierendes Monster aus Tool, Opeth und Katatonia Einflüssen.

Der Opener "Sectarian" walzt mit tonnenschweren Riffs nach vorne, gepaart mit gefangennehmenden Gesangsmelodien. "Orison" zitiert erst verschmitzt Tool mit seinen typischen verschobenen Riffs um dann in einen ganz eigenen Klangkodmos abzudrehen – hier macht sich dann auch sofort das wirklich gelungene Sounddesign der Scheibe bemerkbar: Breitwandsound in Reinkultur, jedes Instrument hat genug Raum zum atmen und keine Frequenz stört das warme Klangbild. Über allem thront Sänger Joel Ekelöf mit seinen ausgeklügelten Melodien. Insgesamt wirkt „Lykaia“ nachdenklicher, introvertierter als seine Vorgänger, bei denen die Band merklich bemüht war ein eigenes Profil herauszuarbeiten. Anno 2017 scheint man angekommen zu sein und stellt ganz selbstverständlich völlig tiefenentspanntes wie "Lucidity", Pink Floyd artige Prog/Psych-Experimente ("Paragon"), hymnische Epen ("Jinn") und Opeth-typische Wundertüten ("Sister") nebeneinander. Und das Beste ist: es funktioniert Alles ganz wunderprächtig. Das Zusammenspiel der Band offenbart, dass sich hier eine Truppe gefunden hat die mehr als nur der Spass am gemeinsamen Musizieren verbindet. Der Weg scheint das Ziel zu sein, und auf diesem Weg schaffen as SOEN immer wieder packende, zutiefst berührende Songs zu schreiben.

Ja, auch „Lykaia“ ist mal wieder ein Festschmaus für Prog Fans jedweder Coleur geworden. Hier stimmt wirklich so ziemlich alles. SOEN schwimmen mal mit dem Strom (die Einflüsse der Jungs sind weiterhin deutlich herauszuhören) und mal gegen den Strom (die erfreulich saftige Produktion ist nicht alltäglich). Dass dabei manches wie schonmal gehört anmutet ist nicht weiter tragisch, denn SOEN gelingt es aus dem Ganzen ein homogenes Gebräu zu mischen, dass einfach nur Freude macht. Wem die ersten beiden Platten gefallen haben greife bitte ohne zu zögern zu. Alle anderen Interessierten sollten sich mal den ein oder anderen Song zu Gemüte führen – vielleicht wartet hier die neue Lieblingsband darauf entdeckt zu werden.

WERTUNG:

 


Trackliste:

01. Sectarian
02. Orison
03. Lucidity
04. Opal
05. Jinn
06. Sister
07. Stray
08. Paragon

Mario

PAIN OF SALVATION – In the Passing Light of Day

Band: Pain of Salvation
Album: In the Passing Light of Day
Spielzeit: 72:10 min
Stilrichtung: Progressive Rock
Plattenfirma: Inside/Out Records
Veröffentlichung: 13.01.2017
Homepage: www.painofsalvation.com

Das Schwedische Prog-Flagschiff PAIN OF SALVATION hat über die Jahre die ein oder andere Turbulenz durch- bzw. überlebt, und ist dank Kapitän und Bandchef Daniel Gildenlöw immer auf Kurs geblieben. Es ist aber wohl anzunehmen, dass die nun 2 Jahre zurückliegende lebensbedrohende Erkrankung des Ausnahmesängers und Gitarristen die bisher schwerste Prüfung für die Band und Ihren starrsinnigen Vordenker war. Nur haarscharf am Tod vorbeigeschrammt, verarbeitet Gildenlöw auf „In the Passing Light of Day“ die wohl dunkelste Phase seines Lebens. Es ist daher kaum verwunderlich, dass auf dem neuesten Werk seiner Band vor allem düstere Töne und introvertierte Texte zu finden sind. Wer die Karriere von PAIN OF SALVATION ein wenig verfolgt hat weiß, dass die Band sich nie in die künstlerische Ausrichtung Ihrer Musik hat hereinreden oder diese an irgendwelchen Erwartungen orientiert hat. Und das unterstreicht das neue Album aufs Neueste.

Ein erster Blick auf die Songtitel von „In the Passing Light of Day“ lässt bereits die thematische Marschrichtung der Platte erkennen. Der Opener „On a Tuesday” beginnt vielversprechend, mit verschobenen harten Rhythmusgitarren und einer zwar recht trockenen, aber auch modern ausgerichteten Produktion. Nach knapp 80 Sekunden ist es mit der Spannung aber auch schon vorbei und der Song entpuppt sich als äußerst schroffer Brocken, der trotz des starken Ohrwurmrefrains seine Längen hat. Und an diesem Prinzip wird sich im weiteren Verlauf der Scheibe auch nicht mehr allzu viel ändern: Tracks wie „Tongue of God“ oder „The Taming of a Beast“ pendeln zwischen angenehmer Härte, immer wieder aufblitzenden Melodiehighlights und Belanglosigkeiten und langatmigen Durchhängern hin und her. Zwischendurch gibt es mit dem rundum gelungenen „Meaningless” und dem überlangen, epischen Titeltrack zwar auch starke Lichtblicke. Ein Song wie „Reasons” klingt allerdings wie eine nicht zu Ende gedachte Single B-Seite. Das Hauptproblem für mich persönlich ist allerdings, neben dem immer wieder aufkommenden kompositorischen Leerlauf, der zumeist regelrecht jammernde Gesang und die mitunter unspektakulären Gitarrenparts, die das Hörvergnügen irgendwo im Mittelfeld halten. Mir ist klar, dass es dramaturgisch absoluten Sinn macht, den von Gildenlöw durchlittenen Krankheitsverlauf in den Songs mehr oder minder chronologisch aufzuarbeiten – ein Garant für eine gute Platte ist das aber noch lange nicht. Auf der positiven Seite verbuche ich jetzt mal die mutige Produktion (fernab vom modernen Hochglanz/Homestudio Brei), die oftmals schmerzhafte Offenheit der Texte und die immer wieder aufblitzenden Energieschübe im Gesang und die Gildenlöw-typischen Melodien. Bei einer (sehr langen) Gesamtspielzeit von über 70 Minuten reicht das alles aber nicht für ein richtig starkes Album.

So sehr ich es auch begrüße, dass PAIN OF SALVATION wieder härtere Töne anschlägt und somit einen Schritt weg vom Retro Rock der letzten Alben hin zu den älteren Platten gehen, so zwiespältig ist der Eindruck den „In the Passing Light of Day“ hinterlässt. PAIN OF SALVATION haben nie einfache oder leicht verdauliche Musik gemacht und bleiben sich auch Anno 2017 treu – allerdings vermisse ich die richtig durchschlagenden Highlights. „In the Passing Light of Day” ist kein wirklich schlechtes Album, sondern eines, das seine durchaus vorhandenen Stärken erst nach mehrmaliger konzentrierter Einfuhr preisgibt. Aber auch dann reicht es nicht für Begeisterungsstürme. Für Fans ist die Scheibe daher durchaus empfehlenswert. Alle anderen sollten sich erst einmal die Klassiker des Backkatalog anhören.

WERTUNG

 

 

Trackliste:

01. On a Tuesday
02. Tongue of God
03. Meaningless
04. Silent Gold
05. Full Throttle Tribe
06. Reasons
07. Angels of Broken Things
08. The Taming of a Beast
09. If This Is the End
10. The Passing Light of Day

Mario

 

NTH ASCENCION – In Fine Initium

folderBand: Nth Ascension
Album: In Fine Initium
Spielzeit: 68:09 min
Stilrichtung: Progressive Rock
Plattenfirma: Melodic Revolution Records
Veröffentlichung: /
Homepage: www.nthascension.com

Das 2015er Debüt der britischen (Prog) Rocker NTH ASCENCION war ein feines Kleinod inmitten der üblichen Prügel-Orgien der hart und heftig Fraktion auf der einen und den quälend langweiligen pseudointellektuellen "Schuh-Guck"-Sceancen auf der anderen Seite des Prog Bereichs. Völlig unaufgeregt und selbstsicher steuerten die 5 nicht mehr ganz taufrischen Briten um den TEN-Keyboarder Darrel Treece-Birch ihr Schiff durch das weite Feld des mit leichten progressiven Elementen angereicherten Rocks. Und genau in dieselbe Kerbe schlägt auch das nun vorliegende 2te Album der Band, die sich nun mit dem amerikanischen Label Melodic Revolution Records Verstärkung bei der Promotion bzw. des Vertriebs Ihrer Musik gesucht hat. Das ändert freilich nichts daran, dass sich auch diesmal wieder Herr Treece-Birch persönlich um die Bemusterung der Platte bemüht hat – ungewöhnlich und sympathisch.

Musikalisch geben sich NTH ASCENCION auch auf "In Fine Initium" keine Blöße und – was vielleicht noch viel wichtiger ist – sie vermeiden (zumindest die meisten der) Fallstricke, in die andere Bands nur allzu gerne hineintappen: die Jungs spielen ihre Instrumente, das hört man. Da ist nichts künstlich zusammengefügt, was in der Natur nur schwerlich handwerklich zu realisieren ist. Der Hörer wird nicht mit musikalisch wertlosen technischen Sperenzchen geblendet. Nein, auf "In Fine Initium" wird eine gute Stunde lang guter Rock serviert. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Soweit alles bestens. Allerdings überschätzen NTH ASCENCION die Effektivität Ihrer Songs/Kompositionen hier und da doch ein wenig: so gut Tracks wie der Opener "Kingdom Keys" oder "The Cage" auch sein mögen, über die gesamte Dauer von jeweils 15 bzw. 17 Minuten geht den Tracks dann doch die Luft aus. Da hätte der Rotstift durchaus gut getan. Das ändert aber unterm Strich nichts daran, dass sich der geneigte Fan an Songs wie dem spannenden Instrumental "So, That Was The Apocalypse", dem mit tollen Melodien gespickten Titeltrack oder den weiterführenden Tracks des schon vom Debüt bekannten, groß angelegten "Clanaan"-Zyklus durchaus die ein oder andere Stunde froh und aus dem stressigen Alltag weg hören können.

Was ich anlässlich des guten Debüts hier an gleicher Stelle gesagt habe, lässt sich quasi 1zu1 auch auf die neue Platte von NTH ASCENCION übertragen. „In Fine Initium“ ist ein grundsolides, über weite Strecken spannendes und ab und zu etwas langatmiges Prog Rock Album, das gehört gehört. Fans der Stilrichtung können bedenkenlos zugreifen.

WERTUNG:

8

 

 

Trackliste:

01. Kingdom Keys
02. End Of Days
03. So, That Was The Apocalypse
04. The Cage
05. In Search Of The Rider (Clanaan Pt4)
06. Forever (Clanaan Pt5)
07. When The Rain Falls (Clanaan Pt6)

Mario

 

OPETH – Sorceress

folderBand: Opeth
Album: Sorceress
Spielzeit: 57:04 min
Stilrichtung: Progressive Rock/Metal
Plattenfirma: Nuclear Blast Records
Veröffentlichung: 30.09.2016
Homepage: www.opeth.com

Der Wechsel von Roadrunner Records zu Nuclear Blast Records hat sich zumindest in Sachen Promotion für die Schweden OPETH gelohnt – bereits seit Wochen wird die interessierte Öffentlichkeit auf das neue, mittlerweile 12. Album, der Band medial aufmerksam gemacht. Da hört es aber auch schon auf, mit der Mainstream Anbiederung, die so mancher Alt-Fan der band schon seit 20 Jahren vorwirft. "Sorceress" ist, das dürfte niemanden mehr wirklich überraschen, wieder völlig anders als alles was die Band bisher gemacht hat und zementiert auf eindrucksvolle Weise den Status der band als wahre Progressive Rocker, im echten Sinne des Wortes. Wo Bands wie Dream Theater der Queensryche das Genre nur noch zum Selbstzweck missbrauchen, lassen Michael Åkerfeldt und seine Begleitmannschaft keinen Zweifel daran, dass bei dieser Band alles Möglich ist, nur keine Stillstand.

Zu sagen, dass "Sorceress" wie „Heritage“ oder „Pale Communion“ klingt, lediglich auf Grund der Tatsache, dass keine Death Metal Growls vorhanden sind und als Basis wieder der 70er Jahre Prog Rock Pate gestanden hat, ist etwas kurz gegriffen. Schon der als erstes Video vorgestellte Track "Sorceress" lässt mit seinem doomigen, stoischen Riff eine gewisse Nähe zu Black Sabbath durchscheinen und noch nie haben OPETH so locker und befreit aufgespielt wie in den beinahe jammigen durchgeknallten Parts in „Strange Brew“ (auch wenn die Scheibe mal wieder von Åkerfeldt. im Vorfeld bis ins kleinste Detail vorproduziert wurde). Neben den durchaus mitunter gewagten Kompositionen wird auch die Produktion von "Sorceress" (wieder von Tom Dalgety) wieder hier und da auf Kritik stoßen: mitunter etwas dumpf und mit einer extremen Dynamik ausgestattet, muss man mitunter schon den Lautstärkeregler der Anlage bemühen um die kleinen ruhigen Details heraushören zu können. Der Mix, bzw. das Mastering der Scheibe ist das entgegensetzte Extrem des in den letzten Jahre so ausgeuferten Loudness-War – aber man kann es ja nie allen recht machen. Ich persönlich finde den Klang der Scheibe phänomenal – vor allem wenn man sich das ganze unter einem guten Kopfhörer gönnt: ganz großes Kino! Die Gitarren sind fett, erdig und strotzen vor Vitalität – in Fredrik Åkesson hat Åkerfeldt den Sidekick gefunden, der all das umsetzt wozu ihm selbst die technischen Fähigkeiten fehlen. Das Rhythmus-Rückgrat aus Schlagzeuger Martin Axenrot und Bassist Martín Méndez ist eine Bank und der Mann an den Tasten Joakim Svalberg setzt die echten Fender Rhodes, Hammond C3 etc. Sounds perfekt in Szene. Und so ganz nebenbei dokumentiert "Sorceress" auch einen interessanten Shift im Bandgefüge: haben sich Fans und "Kritiker" der Band bisher eigentlich ausschließlich am Bandkopf abgearbeitet, seinen Gesangsstil und das Songwriting mal vergöttert, mal verrissen, wie es gerade ins eigenen Weltbild passte, so ist aus OPETH, still und heimlich, eine bärenstarkes Einheit geworden in der Åkerfeldt mittlerweile gar nicht mehr wie der Alleinherrscher sondern als Teil eines Ganzen wirkt. Tatsächlich hat man das Gefühl er müsse sich mittlerweile doppelt anstrengen um das Level seiner Mitstreiter halten zu können – was sich in den fein herausgearbeiteten Gesangsmelodien in "Will O The Wisp" oder „The Wilde Flowers“ besonders bemerkbar macht. "Sorceress" wirkt als Gesamtwerk, auch wenn die Songs relativ eigenständig wirken und Abwechslung Trumpf ist: "Chrysalis" erinnert an selige "Still Life" Zeiten, "A Fleeting Glance" hätte auch auf "Damnation" eine gute Figur gemacht und das orientalisch angehauchte Instrumental "The Seventh Sojourn" legt nahe, dass Opeth Anno 2016 keine ernstzunehmende Konkurrenz mehr im Prog Rock Genre hat. In dem treibenden "Era" zeigen OPETH zum Abschluss noch den fabelhaften Night Flight Orchestra ganz nebenbei wo der Classic Rock Frosch die Locken hat. Mein absoluter Lieblingstrack auf der Platte.

OPETH liefern mit "Sorceress" den Beweis ab, dass sie in einer völlig eigenen Liga agieren: zum einen hat Åkerfeldt Musiker um sich geschart die handwerklich über jeden Zweifel erhaben sind und wie eine perfekt geölte Maschine einen unwiderstehlichen Drive entwickelt haben. Zum anderen bietet die Scheibe zu weiten Strecken mal wieder formidables Songwriting, das den Totalausfall "Heritage" endlich vergessen lässt. Das Album versprüht eine unbändige Spielfreude und Detailversessenheit – es macht einfach Spaß der Truppe beim Spielen zuzuhören, denn der Spaß am eignen Schaffen perlt aus jeder Rille der Platte. Kurz, "Sorceress" ist ein wunderliches, verspieltes, herrliches und durchweg unterhaltsames Album geworden. Es geht auch gar nicht darum, ob man als Fan nun Akerfeld's Mut und/oder Stursinn immer zur Seite steht oder nicht. Was zählt ist die Frage ob er weiterhin gehaltvolle Musik schreiben kann. Und ein Sahnealbum wie "Sorceress" ist da wohl das beste Argument.

WERTUNG:

9

 

 

Trackliste:

01. Persephone
02. Sorceress
03. The Wilde Flowers
04. Will O The Wisp
05. Chrysalis
06. Sorceress 2
07. The Seventh Sojourn
08. Strange Brew
09. A Fleeting Glance
10. Era
11. Persephone (Slight Return)

Mario

 

MARILLION – Fuck Everyone and Run (F.E.A.R.)

0_marillion_fear_albumcover_500Band: Marillion
Album: Fuck Everyone and Run (F.E.A.R.)
Spielzeit: 68:02 min
Stilrichtung: Neo-progressive rock
Plattenfirma: earMUSIC
Veröffentlichung: 23.09.2016
Homepage: www.marillion.com

Die britische Neo Prog Institution MARILLION hat in ihrer langen und ereignisreichen Karriere so einige Höhepunkte erleben dürfen. Von den Highlights der Fish-Ära (mit dem unkaputtbaren Klassiker "Kayleigh"), über den nahtlosen und auch kommerziell weiterhin erfolgreichen Übergang zum "neuen" Sänger Steve Hogarth ("Easter"), den wegweisenden Konzeptalben wie "Marbles" bis zu der konsequenten und ebenfalls erstaunlich gut funktionierenden autonomen Crowdfunding Finanzierung Ihrer Alben wie z.B. bei "Anoraknophobia". Mit "F.E.A.R." haben die eigensinnigen Briten nun Ihr bereits 18. (!) Studioalbum eingespielt (das letzte, "Sounds That Can't Be Made", liegt auch schon wieder 4 Jahre zurück), das seit dem 23. September als CD, limitierte SuperAudio-CD und in allen Digitalen Formaten zu erwerben ist.

Auf MARILLION ist Verlass, das wissen natürlich vor allem die langjährigen und äußerst treuen Fans der Band schon lange zu schätzen. Und daher wärmt das Quintett nicht immer und immer wieder schon erprobte Ideen auf, sondern geht konsequent alternative Wege. "Fuck Everyone and Run (F.E.A.R.)" ist zwar nicht als reinrassiges Konzeptalbum anzusehen, aber als eines mit einem übergreifenden textlichen Aufbau, einer durchgehend melancholischen bis düsteren Stimmung und einem durchaus eigensinnigen Aufbau: die insgesamt 5 Songs sind in 17 einzelnen Tracks unterteilt, die man auch locker als individuell funktionierende Parts ansehen kann. Denn erfreulicherweise ist hier, wie bei ähnlichen Konzepten leider oft zu bemängeln, nie irgendein pseudocineastisches Füller-Material dabei. Das sehr früh positionierte "The Gold" ist mit seinem kraftvollen, effektiven Refrain einer der echten Höhepunkte der Scheibe. Dem folgen mit "Vapour Trails in the Sky", dem emotionalen Ohrwurm "Fuck Everyone and Run" oder dem rockig/unheilvollen " F E A R" noch weitere Hochkaräter, die auch Album No. 18 zu einem wert-, bzw. gehaltvollen Beitrag im Bandkatalog machen. 

Auch "F.E.A.R." kann das traditionell hohe Niveau der Band locker halten und bringt einige der stärksten Tracks der jüngeren Vergangenheit von MARILLION auf die Tapete. Da das Album auch hervorragend produziert ist und klanglich ein wahrer Ohrenschmaus ist, dürfte eigentlich alles in Butter sein, oder? Nun, 17 Songs bei einer Gesamtspielzeit von satten 68 Minuten ist einfach zu viel des Guten. Bloß weil die CD eine Spielzeit von bis zu 80 Minuten erlaubt heißt das nicht, dass man dies auch ausnutzen muss. So bleibt unterm Strich ein gewohnt erstklassiges neues MARILLION Album, dem ein strafferes Korsett durchaus gut getan hätte.

WERTUNG: 

7,5

 

 

Trackliste:

01. El Dorado: I. Long-Shadowed Sun
02. El Dorado: II. The Gold
03. El Dorado: III. Demolished Lives
04. El Dorado: IV. F E A R
05. El Dorado: V. The Grandchildren of Apes
06. Living in F E A R
07. The Leavers: I. Wake Up in Music
08. The Leavers: II. The Remainers
09. The Leavers: III. Vapour Trails in the Sky
10. The Leavers: IV. The Jumble of Days
11. The Leavers: V. One Tonight
12. White Paper
13. The New Kings: I. Fuck Everyone and Run
14. The New Kings: II. Russia's Locked Doors
15. The New Kings: III. A Scary Sky
16. The New Kings: IV. Why Is Nothing Ever True?
17. Tomorrow's New Country

Mario