WINTERAGE – The Inherence Of Beauty

Band: Winterage
Album: The Inherence Of Beauty
Spielzeit: 63:21 min
Stilrichtung: Symphonic Power Metal
Plattenfirma: Scarlet Records
Veröffentlichung: 15.01.2021
Homepage: www.facebook.com/winterage

Es gibt, grob vereinfacht ausgedrückt, zwei Arten von Symphonic-Power-Metal-Bands: die, die auf mehr oder weniger realistische Orchester-Samples zurückgreifen und am Mischpult einen Gänsehaut-Button haben, und die, die in ihre Alben massiv mehr Arbeit hineinstecken, um ein besseres Resultat zu erzielen, obgleich das zusätzliche Maß an Arbeit sich in den Augen des ein oder anderen vielleicht nicht lohnen würde. Damit mag der ein oder andere jedoch falsch liegen, wie an Alben wie WINTERAGEs “The Inherence Of Beauty” deutlich wird.
Daher erstmal zu dem, was am zweiten Longplayer der Italiener objektiv geil ist. Das ist zuallererst der nicht bemängelbare Sound. Das ist des weiteren die Bedienung der Instrumente und der Einsatz der Solo-Vocals: Sänger Daniele Barbossa hat eine klare und powermetallige Stimme, die wie angegossen zur Musik passt. Vittoria Leoni kommt als Solo-Sopranistin dazu und klingt schwer nach professioneller Ausbildung, lediglich die unklaren Vocals im letzten Track wirken deplatziert.
Dann ist da die Truppe an Beteiligten: Neben der Band wäre da ein 21köpfiges Orchester, drei Folk-Musiker und um die 15 Chorleute. Gut, man hat in der Vergangenheit auch schon wesentlich dickere Orchester und Chöre auf Metalalben gehört, aber gerade die Übersichtlichkeit macht einen absoluten Reiz auf “TIOB” aus. Denn die Platte klingt trotz absoluter Symphonic-Power-Metalligkeit kaum überladen, rückt stattdessen immer wieder einzelne klassische Instrumente in den Vordergrund und verwendet Orchester und Chor letztendlich so, wie man es tun sollte: nicht nur als Klangteppich und unter Ausreizung aller Facetten (alleine schon ein paralleler Einsatz eines kleinen Männer- und eines kleinen Frauenchors mit Lyrics abseits von pseudo-lateinischen Lautäußerungen ist auch im Symphonic Power Metal eher die Ausnahme, obwohl es echt scheißgut kommt). Auch die Melodien, so genrekompatibel sie doch sein mögen, entsprechen nicht dem Klischee-Standard, versuchen sich oft erfolgreich an Eigenständigkeit. Und damit ist “TIOB” schonmal ein Album, das bei mir harte Sympathiepunkte einfährt, denn mit starken und außergewöhnlichen Kompositionen und liebevollen Arrangements steht und fällt ein solcher Release.
Wichtig zu erwähnen: die deutliche Folk-Schlagseite des Albums. Das kann man mögen oder nicht mögen, insbesondere den Einsatz einer Geige als festen Bandbestandteil. Ich mag’s weniger, würde es aber mögen, wenn ich weniger Folk-Abneigungen hätte, denn auch die folkigeren Parts fallen an sich sehr überzeugend und nicht allzu Thekenmädchen-lastig aus. Kein Abzug dafür, ebenfalls kein Abzug für die kitschige Thematik des Albums, die man im Power Metal halt erwarten muss (The inheritance of real beauty is hidden in the essence of human beings und so – Kübel bereitstellen, wer auf sowas allergisch reagiert). Punkteabzug allerdings guten Gewissens für “The Toymaker”. Als 16minüter wirkt das Ding erstmal verlockend, besteht aber aus minutenlangem Disney-Narrator-Gerede der übelsten Sorte, aus leichtgängig-nervigem Musical-Gedönse und einigen anderen Fehlgriffen. Lobenswert daran ist hauptsächlich, dass man es geschafft hat, 95% aller schlechten Ideen in einem Lied zu konzentrieren, das hält das hohe Niveau der restlichen immerhin mehr als 45 Minuten Spieldauer hoch.

Fazit:
Abgesehen von dem Track ist “TIOB” ein Album, das man Freunden orchestralen Power Metals mit Folk-Faible bedenkenlos empfehlen kann, denn in dieser Genre-Kombination machen WINTERAGE echt alles richtig; angefangen schon beim liebevoll komponierten Intro, das tatsächlich mal seine Existenzberechtigung im Kontext des restlichen Albums hat. WNTERAGE demonstrieren jedenfalls eindrucksvoll, was für ein Ergebnis man auch (und vielleicht gerade) mit einem kleineren, aber dafür echten Orchester erzielen kann, wenn man ambitioniert ist, auch in Sachen Songwriting nicht immer nur die selben ausgelatschten Pfade zu betreten. Kleine Band, großes Ding!

Anspieltipps:
“Chain Of Heaven”, “Oblivion Day” und “Orpheus And Eurydice”

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Ouverture
02. The Inheritance Of Beauty
03. The Wisdom Of Us
04. Of Heroes And Wonders
05. The Mutineers
06. Orpheus And Eurydice
07. Chain Of Heaven
08. La Morte Di Venere
09. Oblivion Day
10. The Amazing Toymaker

Jannis