BRAINSTORM – Wall Of Skulls

Band: Brainstorm
Album: Wall Of Skulls
Spielzeit: 49:50 min
Stilrichtung: Power Metal
Plattenfirma: AFM Records
Veröffentlichung: 17.09.2021
Homepage: www.facebook.com/officialbrainstorm

Vielleicht erinnert sich der ein oder andere noch an “Pimp My Ride”, wo Xzibit Amerikanern ihr Auto abnimmt, auseinanderbaut und dann mit 95% neuen Teilen ein anderes Auto zusammenbaut, mit einem kleinen Swimming Pool, einer Waschmaschine und einem Audiosystem, mit dem man das Saarland beschallen könnte – um es den Besitzern dann als “Ihr “ verbessertes Auto zurückzugeben. So spaßig das auch anzusehen ist, wäre es doch toll, es wären mehr Originalteile bei gleichem Level an Aufwertung vorhanden. Schön, dass BRAINSTORM so arbeiten. Es gibt das Basic-BRAINSTORM-Gerüst, das jeder kennt, der mal in ein paar Alben der deutschen Power-Metaller reingehört hat, mit ihren charakteristischen Wendungen, einzelnen Faktoren in der Instrumentalarbeit, ihren Trademark-Melodien und natürlich Andys majestätischen Vocals. Dieses Gerüst kann poliert, geschmückt und angemalt werden, bleibt jedoch stets klar erkennbar.
Die Politur erfolgte, als man mit Seeb von ORDEN OGAN einen Produzenten fand, der das absolute Maximum an klanglicher Geilheit in BRAINSTORMs Alben zu mixen vermag und der diese Arbeit auch bei “Wall Of Skulls” wieder vortrefflich geleistet hat. Ansonsten zeigt sich die Pimpung der BRAINSTORM-Grundstrukturen nicht an einer plötzlichen Verwendung von Dudelsäcken oder 2021-EDM-Synths (wie gesagt, wir arbeiten mit Originalteilen), sondern schlicht an der kreativen Zusammensetzung der einzelnen Bestandteile, Erweiterung des Melodiewendungs-Kanons – eben an kleinen Sachen mit großem Effekt, der aus “Wall Of Skulls”‘ Vorgänger “Midnight Ghost” das nicht unwahrscheinlicherweise bis dato beste BRAINSTORM-Album überhaupt gemacht hat. Und bei einem solchen Knaller ist eben auch eine minimale Ernüchterung beim Nachfolger wahrscheinlich, wenn er dieses Hitmassaker-Niveau nicht ganz halten kann.
Diese Ernüchterung tritt bei “Wall Of Skulls” ein, aber glücklicherweise tatsächlich nur ziemlich minimal. “Where Ravens Fly” ist als Opener straight und geradeaus, aber eben doch ein wenig mehr basic als nach dem Einstieg von “Midnight Ghost” erwartet, und hat damit wie so mancher andere Track auf der Platte etwas weniger vom gewissen Etwas, das so viele Tracks des Vorgängers herausragen ließ. Das ist keineswegs bei jedem Track auf “Wall Of Skulls” so. “Solitude” ist ein perfektes Beispiel für einen Extended-BRAINSTORM-Song, “Glory Disappears” ist etwas emotional feierlicher, die erste Strophe von “End Of My Innocence” ist edel unkonventionell ruhig, “Holding On” bricht mit seinen modereneren Synths ein Stück weit mit dem klassischen BRAINSTORM-Sound (ist in kleinen Dosen sehr geil, aber bitte nicht ein ganzes Album in dem Stil machen) und “The Deceiver” ist unerwartet trocken, klangtechnisch hervorstechend abgespeckt. Der Kollege, der das Album beim Rezensieren mitgehört hat, hat am Ende einen akuten Ohrwurm des “Cold Embrace”-Refrains und “Turn Of The Lights” kommt mit seinem runtergebrochenen “Titel ist Text”-Chorus schön asozial. Dazu muss die Arbeit der Rhythmusfraktion lobend erwähnt werden, die bei wirklich vielen Songs einen guten Mehrwert bietet – stets nachvollziehbar aber mit hohem Anspruch an sich selbst und bestens in die Songs integriert.

Fazit:
Ein schwächeres BRAINSTORM-Album ist immer noch ein starkes Album und “Wall Of Skulls” ist kein schwächeres BRAINSTORM-Album. Im Gegenteil, die Platte klingt Seeb-bedingt wieder übertrieben, kommt ohne einen einzigen “Was soll das?”-Moment aus, und selbst der schwächste Song ist immer noch ein starker Power-Metal-Song. Von “Midnight Ghost” wissen wir, dass die Jungs in Sachen melodischer Kreativität noch einen Ticken mehr draufhaben, als es sich beim aktuellen Album zeigt. Absolut hörenswert bleibt das Ding trotzdem, denn, wie nicht vergessen werden darf, wird hier an BRAINSTORMs vielleicht bestem Album gemessen und nicht am allgemeinen Power-Metal-Qualitäts-Schnitt.

Anspieltipps:
“Solitude”, “Holding On”, “Turn Off The Light” und “Cold Embrace”

WERTUNG:

 

 

Trackliste:

01. Chamber Thirteen
02. Where Ravens Fly
03. Solitude
04. Escape The Silence (feat. Peavy)
05. Turn Off The Light (feat. Seeb)
06. Glory Disappears
07. My Dystopia
08. End Of My Innocence
09. Stigmatized
10. Holding On
11. I, The Deceiver
12. Cold Embrace

Jannis