IRON MAIDEN – The Book Of Souls

Band: Iron Maiden
Album: The Book Of Souls
Spielzeit: 92:11 min
Stilrichtung: Heavy Metal
Plattenfirma: Parlophone
Veröffentlichung: 04.09.2015
Homepage: www.ironmaiden.com

Auf die Krebs Erkrankung von Bruce Dickinson und seine Genesung wollen wir hier mal nicht weiter eingehen (das Netz ist voll Infos zum Thema). Der öffentliche Umgang der Band mit dieser Sache war so zurückhaltend ehrlich und bodenständig wie man es auch schon seit Jahrzehnten von Ihrer Musik gewohnt ist. Die Fans können nun endlich wieder aufatmen und das pressfrische neue Album bestaunen: 92 Minuten Material, verteilt auf 2 CDs (oder 3 LPs – kein Picture-Disc-Dreck, sondern echtes, schwarzes Vinyl!), inkl. einer 18—minütigen Mammut-Nummer, verfasst und eingespielt mit Dickinson am Klavier (dazu später mehr). Was als erstes natürlich ins Auge springt ist das eigenwillige Cover, der beeindruckendste Eddie seit Fear of the Dark. Kein billiges Computer Wirr Warr oder quietschbunt peinliches Sci Fi Monster, sondern ein klassischer Eddie der so detailliert und entschlossen gezeichnet ist wie es auch die Musik in der Verpackung ist.

Dass IRON MAIDEN es noch nie irgendjemandem recht machen wollten dürfte wohl jeder Fan im Laufe seines Devotee-Daseins durchgemacht haben. Bewegen die Jungs sich auch seit vielen Jahren innerhalb Ihrer selbst gesetzten Parameter, so haben sie immer darauf geachtet nicht zu ihrer eigenen Karikatur oder einer Revival-Truppe zu verknöchern. Oft zum Leidwesen Ewiggestriger, für die früher alles besser war. Klar, ein „The Trooper“ oder „The Number Of The Beast“ wird’s von Steve Harris und seiner Truppe nicht mehr geben. Wozu auch, wenn man es doch schon gemacht hat? Seit der Rückkehr Dickinsons zu IRON MAIDEN hat sich die Band immer mehr den auch schon früher vorhandenen progressiven Tönen in ihrer Musik zugewandt. Mit „The Book Of Souls“ ist IRON MAIDEN aber ein durchweg ungewöhnliches Album gelungen, das den Kritikern mal wieder genügend Angriffsfläche bieten dürfte. Alleine die immense Spieldauer macht es dem Hörer nicht einfach sich der Sache zu nähern – 1 ½ Stunden mit gehaltvoller Musik zu füllen ist ein anspruchsvolles Unterfangen und so ist auch auf Album No. 16 der ein oder andere nicht ganz so zwingende Song vertreten („The Great Unknown“ oder „The Man Of Sorrows“ sind zwar beileibe keine schlechten, aber auch keine herausragenden Tracks). Ungewöhnlich ist die Platte aber auch deshalb, weil es Produzent Kevin Shirley, man glaubt es kaum, endlich gelungen ist einem IRON MAIDEN Album einen differenzierten und ausgewogenen Mix zu verpassen. Hier lenkt endlich keine klangliche Ungereimtheit vom Geschehen ab. Auch ungewöhnlich ist, dass die Band die 11, größtenteils überlangen, Songs in das perfekte Verhältnis zu einander gebracht hat und die Scheibe von vorne bis hinten absolut dramaturgischen Sinn ergibt: der vorab veröffentlichte straighte, unauffällige Rocker „Speed Of Light“ hätte, in Einklang mit der bisherigen IRON MAIDEN Tradition, eigentlich den Opener geben müssen. Diese Stelle wird aber von dem eigenwillig arrangierten, ausufernden Ohrwurm „If Eternity Should Fail“ eingenommen der sofort eines der absoluten Highlights der Scheibe ist. Und ab hier dürfte dann auch schon klar sein, dass wir es mit einem besonderen Album zu tun haben. Hatten Harris & Co. auf den vorherigen Platten bereits gemacht wonach ihnen der Kamm stand, laufen sie auf „The Book Of Souls“ zur Höchstleistung auf und führen die auf diversen Alben gesponnenen Fäden elegant zusammen: Das fantastisch epische „Shadows Of The Valley“ versprüht den spröden „A Matter of Live and Death“-Charme,  der griffige, Stadiontaugliche Longtrack „The Red And The Black“ löst mit seinen von Keyboards unterstützten Monumentalmelodien das ein, was die Band auf „Virtual XI“ so grandios in den Sand gesetzt hatte und “Death Or Glory“ ist ein harter, in Kopf und Bauch gehender Rocker erster Güteklasse. Vor allem Bruce Dickinson, der auf den letzten Scheiben oft sowohl soundtechnisch als auch von den Arrangements nicht immer optimal in Szene gesetzt wurde profitiert von den neuen Kompositionen: nur selten ist er gezwungen völlig unmögliche Sätze ohne Luftholen gehetzt abzurackern. Vielmehr hat sein Gesang allen Raum sich zu entfalten und er bedankt sich mit einer einfach beeindruckenden Leistung. Auch die Saitenfraktion genießt alle Freiheiten und feuert Soli im Dutzend raus, ständig auf der Suche nach neuen Herausforderungen (das Slide-Solo in dem bereits erwähnten “Death Or Glory“ ist nur das offensichtlichste Beispiel). Und dann wäre da ja noch der abschließende, von Dickinson verfasste Mega-Song „Empire Of The Clouds“ (inklusive Piano und dezent gesetzten, niemals plumpen Streichern) der in 18 Minuten so manche aufs Griffbrett-Wienern versessene Prog Kapelle abfrühstückt. Prog Metal? Ja! Aber „the IRON MAIDEN way“. Natürlich mag man sich ob der oft bis zum Äußersten widerholten Refrains und Instrumentalparts beschweren und nicht jeder Song ist es auch wert so in die Länge gezogen zu werden. Oder aber man lehnt sich einfach zurück und ist dankbar dafür, dass es noch eine Band gibt, die sich dem allgemeinen Konsensklang einfach partout nicht unterwerfen will. IRON MAIDEN als die unbeugsamen Gallier einer kreativ weitestgehend gleichgeschalteten Heavy Metal Szene. Mir gefällt dieser Gedanke besser als ein weiteres stromlinienförmiges 08/15 Produkt vom Fliessband, auf Trend und Perfektion zurechtgestutzt. IRON MAIDEN suchen, auch 35 Jahre nach dem bahnbrechenden Debüt immer noch neue Wege, und wenn dabei solch geniale Songs bei herauskommen ist mir ein wenig Ausschuss gerne willkommen.

„The Book Of Souls“ ist ein mutiges, wiederborstiges, stures sowie durch und durch (im positiven Sinne) kindsköpfiges Album geworden. Hier spielt eine Band auf die sich noch nie um irgendweine Erwartung gekümmert hat und auch auf ihrem 16ten Studioalbum noch unbändige Spielfreude mit einem echten Live-Feeling kombiniert. Da neben der Musik auch das Drumherum (Artwork, Produktion) endlich wieder Hand und Fuss hat kann man wohl festhalten, dass der Band mit „The Book Of Souls“ das Beste Werk der Reunion Phase gelungen ist. Kaufen!

WERTUNG:


Trackliste:

01. If Eternity Should Fail
02. Speed Of Light
03. The Great Unknown
04. The Red And The Black
05. When The River Runs Deep
06. The Book Of Souls
07. Death Or Glory
08. Shadows Of The Valley
09. Tears Of A Clown
10. The Man Of Sorrows
11. Empire Of The Clouds

Mario

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